41. Vaetternrundan am 16. - 17. Juni 2006
300 km mit dem Fahrrad um den zweitgrössten See Schwedens

Dezember 2005:

"Ich habe mich für die Vaetternrundan angemeldet" erzählt mir Carsten. Ich glaube, dass er bereits dort fünfmal mitgefahren ist. Immer hat er davon geschwärmt. Ich komme ins Grübeln...naja Schweden ist ein traumhauft schönes Urlaubsland und man kann das Praktische mit dem Nützlichen verbinden.

Januar - März 2006:
Die Temperaturen sind nicht gerade einladend zum Radeln. Intensives Lauftraining und Training auf dem Crosstrainer ist angesagt. Meist eine 1/2h Crosstrainer zum Aufwärmen - im Anschluß 1 1/2h laufen.

März - Juni 2006:
Die Laufschuhe habe ich verbannt. In den ersten Wochen fahre ich durchschnittlich 140km/Woche, später sind es 250 km/Woche.
Vaetternrundan 16-17. Juni 2006:

Angereist sind wir eine Woche zuvor. Ein kleines Ferienhaus haben meine Freundin und ich nahe Töreboda (nordwestlich des Vaetternsee's) gemietet.
Am 15. Juni fahren wir nach Motala um die Startunterlagen abzuholen.
Auf dem Markplatz werden die Startnummern ausgegeben. Wenn man bedenkt, dass ca. 17000 Teilnehmer gemeldet sind, dann geht alles sehr ruhig und organisiert zu.
vaetternrundan - höhenprfil
16. Juni 2006:

Am Nachmittag versuchen wir ein paar Stunden zu schlafen. Geht so, mehr oder weniger.
Zum Abendbrot gibt's natürlich Pasta.
Ich werde immer nervöser. Gegen 19.30 Uhr fahren wir dann endlich nach Motala.
In Motala angekommen finden wir sehr schnell einen ruhigen Parkplatz, wo Silvia die Nacht verbringen wird, wenn ich radle. Links neben uns steht ein Kombi - hinten drin liegt jemand
mit Bettzeug und pennt. Rechts neben uns machen sich gerade ein paar Radler fertig.
Wir haben Zeit und gehen zum Startbereich. Menschenmengen!!!
Aber tierisch ruhig und gelassen.
Seit 20.00 Uhr wird in Blöcken á 60 Fahrer gestartet. Man muß sich das so vorstellen:
20.00 Uhr StartNr 1-60, 20.02 Uhr Nr 61-120 usw. Das Ganze geht bis ca. 5.00 Uhr morgens.
Ich habe die Startnummer 7969, bin also gegen 00.30 Uhr dran.
Zurück zum Auto: Fertigmachen ist angesagt.
Reifen aufpumpen, Tacho montieren, Wasserflaschen in die Halter und die Beleuchtung mit Reflektoren (Pflicht) ans Rad.
Auf geht's zum Start..
Vaetternrundan -Startunterlagen
Vaetternrundan - im Block
17. Juni 2006:
Km 0 Start Motala:

Mittlerweile ist es dunkel.
Kurz nach Mitternacht muß ich in den Startblock. Beleuchtungskontrolle, alles gut.
Um 00.25 Uhr ertönt das Startsignal. Eskortiert von zwei Harley's setzt sich unser Block in Bewegung. Am Ortsausgang verabschieden sich die Motorräder.
Vorgenommen habe ich mir im 25 km/h Schnitt zu fahren. Schnell finde ich zwei Fahrer bei denen ich lutschen kann. Einer fährt sehr unruhig, was mich ziemlich nervt, ständig werden wir von Zügen aus den nachfolgenden Blöcken überholt.
Am Fahrbahnrand sieht man die ersten Fahrer mit Pannen. In der Dunkelheit werden Reifen geflickt. Na Mahlzeit....
Einer der Vordermänner hat eine Panne und fährt rechts ran. Ich fahre alleine weiter.
Von hinten kommt ein Schwede. Wir fahren nebenher und plauschen ein wenig.
Vaetternrundan - Start
Km 43 Depot Hästholmen:
25,3 km/h Ø, 1:41 h Fahrtzeit

Ich trinke Kaffee, esse Slätbullar und wechsle die Batterien von meinem Vorderlicht.
Ziehe meine Beinlinge über und weiter geht's.
Ich fahre jetzt zügiger. Es war mir einfach zu langsam. Ich schließe mich einem Zug an. Nach ein paar Kilometern fahre ich nach vorne und pedde los.
Wie ich mich wieder umdrehe ist nur noch einer hinter mir. Ständig wechseln wir ab und fahren Tempo. Ganz schön mutig denke ich für mich selbst. Gute 230km noch vor Dir und Du rast wie ein Bekloppter.
Bei km 70 muß ich Abreissen lassen. Über's Web erfahre ich später seine Zeit: Start um 1:07 Uhr, Ziel 11.10h.
Km 80 Depot Gränna:
26,9 km/h Ø, 1:17 h Fahrtzeit
(Anmerkung zur Durchschnittsgeschwinigkeit: Sie bezieht sich auf die gesamt gefahrenen Kilometer.)

Wieder ein Tass Kaff und ein Becher Blaubeersuppe. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber lecker.
Es ist schon fast hell. Ich fahre weiter.
Kurz vor Jönköping gibt es eine sehr lange Abfahrt. Ich lasse mich nur rollen und fahre trotzdem fast 55 km/h. Zur rechten Seite liegt der Vaetternsee, man schaut von oben hinab. Traumhaft schön.

Km 109 Depot Jönköping oder die größte Würstchenbude der Welt:
27,7 km/h Ø, 56 min Fahrtzeit

4:42 Uhr:
Ich traue meinen Augen nicht. Es ist eine riesige Halle, in der meterweise Tresen aufgebaut worden sind, an denen Essen und Getränke ausgeschenkt werden.
Hier gibt es außer den üblichen Getränken Milch, Hafergrütze, Bananen, Kartoffelpüree und Würstchen.
Esse ein bißchen Pü mit Wurst und schicke Silvia eine SMS.
Es ist hell. Ohne Licht fahre ich weiter.
Kurz nach Jönköping, ca. km 120, ist eine Steigung. Mehere steigen ab und schieben.

Km 140 Depot Fagerhult:
27,8 km/h Ø , 1:09 h Fahrzeit


Ach ja, wir haben WM. Mehere Deutsche haben sich Fahnen ins Gesicht gemalt.
Halte mich nicht so lange auf. Bißchen was trinken und weiter.

Unterwegs stehen mittlerweile ein paar Zuschauer. Teilweise stehen sie mitten in der Prärie und feuern einen an. Genauso sieht man am Strassenrand immer wieder erschöpfte Fahrer liegen, die sich ein Mütze Schlaf gönnen oder den Blick über den schönen See geniessen.
Überhole die ersten dreistelligen Nummern.
Von km 160-168 wird wieder richtig Gas gegeben. Bei km 175 geht's an der ersten "200" Nummer vorbei.

KM 178 Depot Hjo:
28,6 km/h Ø , 1:12h Fahrtzeit

7:40 Uhr:
Hier muß man sich wirklich merken, wo man sein Rad abstellt. Hunderte, gar tausende von Rädern stehen an Bäumen, Zäunen, Mauern oder was sonst noch gut zum Anlehnen ist. An den Dixie's ist die Hölle los.
Lasagne, Salate usw. gibt es hier. Ich begnüge mich mit einem Brötchen und einem Kaffee.
Die Sonne scheint. Schnell noch ein paar SMS unter dem Motto "was sind schon 180 km" verschicken, die Beinlinge ablegen und in den Taschen verstauen und weiter....

KM 210 Depot Karlsborg:
1:00 h Fahrtzeit

An einer Sammelstelle im Depot gebe ich meine Jacke inclusive Notizheft ab, daher gibt es keine weiteren Geschwindigkeitsangaben.
Hätte mir allerdings vorher noch die Arme mit Sonnenmilch einreiben sollen....zu spät.

KM 232 Depot Boviken:
45 min Fahrtzeit

Die Sonne knallt.
Mitten in der Landschaft steht ein Prediger, der über seine Anlage versucht uns Radfahrer zu bekehren.
Der Tacho zeigt immer wieder Geschwindigkeiten um 40 km/h an, ich staune über mich selbst.
Ein paar hundert Meter vor dem Depot Hammarsundet passierts:
Ein stechender Schmerz geht durch meinen rechten Oberschenkel, kein Krampf. Ich kann nicht mehr treten, falle fast vom Rad, da mir das Absteigen schwer fällt. Sch....e könnt ich brüllen. Alles lief so gut. Ich muß schieben. Nach ca. 200 m setze ich mich auf's Rad, immer auf das rechte Bein achtend. Langsam fahre ich ins nächste Depot.

Km 259 Depot Hammarsundet:
1:05 h Fahrtzeit

12:36 Uhr
Mache mir arge Gedanken über den Oberschenkel und horche immer wieder in mich hinein.
Gott sei Dank - kein Ziepen mehr. Setze mich erstmals auf eine Bank und trinke was.
Ganz schön viele Leichen hier...
Wie es der Zufall will kommt eine SMS von Silvia: "Alles klar?" > "Alles i.O"
Fahre weiter, irgendwie sind die Speicher leer.

Km 279 Depot Medevi:
41 min Fahrtzeit

Hier kehren nur noch wenige ein. Eine Blaskappelle macht Musik. Ein letzter Anruf.
Weiter - echt fies - man muß hier an einer derben Steigung anfahren.
Anstatt den direkten Weg nach Motala zu fahren, werden wir nochmals umgeleitet.
Hilfe, ich will nach Hause.
Km 300 Ziel Motala:
1:06 h Fahrtzeit

13:29 Uhr
Endlich Motala. Die letzten Kräfte werden mobilisiert. Das Ziel. Überall wird gejubelt, geklascht und angefeuert. Bloß in keine Gesichter gucken , die könnten sehen das ich vor Freude heulen muß.
Schnell finde ich Silvia, eine herzliche Umarmung. Naja, dass kennt Ihr ja alle.
Im Park lasse ich mich auf dem Rasen nieder. Großer Fehler, ich komme von alleine nicht wieder hoch.
Einschließlich Pausen war ich gute 13 Stunden unterwegs, reine Fahrtzeit ca. 11 Stunden bei einer Durchschnittsgeschwindikeit von 28,7 km/h.
Ich bin stolz wie Oskar.
Vaetternrundan - Ankunft Ziel
Fazit:

Die Vaetternrundan ist ein perfekt durchorganisiertes Event. Gerade wenn man die Anzahl der Starter berücksichtigt.
Man staunt über Wahl der Räder. Die Masse sind Rennräder, aber auch Tourenräder, Klappräder und Tandems sind auf der Strecke zu sehen.
2006 gab es 17712 Meldungen. 15259 Begeisterte sind gestartet. 427 Fahrer/innen kamen nicht ins Ziel.
Auch wenn man wie ich alleine startet, man fährt nie alleine. Zu Smalltalks kommt es immer wieder.
Es war nicht meine letzte Vaetternrundan!!!

Vaetternrundan - Ziel

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